Den Wegfall der Steuerklassen III & V als gerechte Maßnahme zugunsten der Frauen verkaufen zu wollen, macht wütend, da unterstellt wird, Frauen hätten bislang nicht eigenständig gemeinsam innerhalb der Partnerschaft entschieden.
Die Steuerklasse IV (mit Faktor) gibt es bereits und diese war offensichtlich bislang nicht die passende Wahl für die jeweiligen Lebensmodelle vieler Ehen (geschlechtsunabhängig). (1/5)
Die Gründe dafür sind vielfältiger Natur. Die Wahl der Steuerklassen III/V bietet sich an, wenn einer der Partner*innen geringer verdient (egal, ob Vollzeit, Teilzeit usw.), bereits in Rente ist, wenig oder gar nicht arbeitet, weil er chronisch krank ist, behindert ist, sich in Aus- oder Fortbildung befindet oder weniger oder gar nicht arbeitet, um Kinder zu betreuen, um Familienmitglieder zu pflegen und/oder um Ehrenämter (z. B. Tafel, Tierheime, Sportvereine) zu bekleiden. (2/5)
Wer nicht mehr arbeiten kann, wird benachteiligt. Wer es theoretisch könnte, steht praktisch vor der Frage, passende Stellen zu finden. Insbesondere solche, die sich mit Care-Arbeit in Einklang bringen lassen. Monatlich steht weniger Geld zur Verfügung. Dass sich am Ende des Jahres alles relativieren könnte, ist kein Argument, denn die monatliche Liquidität ist ebenso entscheidend wie der Nettolohn (des Besserverdienenden) auch Berechnungsgrundlage für Arbeitslosen-, Krankengeld usw. ist. (3/5)
Die sich theoretisch ergebenden Vorteile für Frauen, die sich nicht automatisieren lassen, unterliegen somit klar den offensichtlichen Nachteilen für alle, die bislang die Steuerklassen III & V wählen. Wer Frauen (und nicht nur diese) stärken will, verschlechtert nicht die monatliche finanzielle Lage, die sich dank Inflation usw. für viele ohnehin verschärft hat, sondern schafft Möglichkeiten der Kinderbetreuung, sorgt für bessere Pflege & flexiblere Arbeitsbedingungen (z. B. Homeoffice). (4/5)
Zu all dem kommt eine meiner Meinung nach erschreckende Instinktlosigkeit der Regierung, die mit solchen Entscheidungen die Politikverdrossenheit nur noch mehr befördert und im besseren Fall Kleinparteien oder der Union Wähler*innen beschafft, im schlechtesten Fall jedoch gerade jetzt zu unbedachter Protestwahl der AfD führt.
Dies gilt verstärkt, wenn nun zusätzlich auch noch das Ehegattensplitting in Frage gestellt werden sollte. (5/5)
Erinnert ihr euch noch an die (kritisch zu sehenden) Bauernproteste oder daran, was los war, als die Ampel die Einkommensgrenze für das Elterngeld auf 150.000 € für Paare festlegen wollte?
Der Wegfall der Steuerklassen hingegen sorgt gefühlt kaum für Reaktionen, geschweige denn Proteste, obwohl diese Änderung viele nicht nur finanziell hart treffen wird.
Ist das so, weil die Betroffenen kaum Zeit, Energie und Möglichkeiten haben, aktiv zu werden? Kann man es deshalb mit ihnen machen? Bitter.
@AnyaKarl "sollte"? Es wird doch gerade massiv in Frage gestellt
@msur Sorry für die späte Antwort, war nicht früher wieder hier.
Bis jetzt betrifft es ja "nur" die Steuerklassen. Das Ehegattensplitting bleibt noch bestehen. Noch, denn ich befürchte auch, dass sich das ändern könnte, zumal es nach Lars Klingbeil vor einer Weile nun auch Lisa Paus zur Diskussion stellte.
Die Änderung dürfte rechtlich jedoch nicht so einfach sein wie bei den Steuerklassen allein. Gut so, aber leider nicht wirklich ein Grund, diesbezüglich beruhigt zu sein.